Das Geschwurbel in der Chefetage
- Rainer Meier
- vor 3 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Sie wissen ganz bestimmt, welches Unternehmen diesen Satz in seinem Jahresbericht verwendet hat: “Unser Unternehmen erzielte in einem herausfordernden Umfeld nach Sondereinflüssen ein stabiles Resultat.”
Richtig, es könnte jedes sein. Alle Jahresberichte sprechen diese Sprache. Konkret mit diesen Worten, wenn es nicht wirklich gut lief und die Zahlen erschreckend sind. Aber so klar traut sich das niemand zu sagen, keine Verwaltungsrätin und kein CEO. Denn der Finanzchef hat gewarnt: “Wenn wir offen sagen, dass es nicht gut lief, dann straft uns der Markt ab.”
Also wird geschwurbelt auf der Chefetage. Spoiler: Jeder Analyst kann dieses Geschwurbel richtig interpretieren, und spätestens wenn er die Zahlen vergleicht, ist der Lack sowieso ab.
Warum also hält sich diese verquaste Sprache, warum sagt kein CEO, sagt kein VR-Präsident, was wirklich Sache ist? Weil es alle anderen auch nicht tun, hat sich dieser Code verfestigt. Angst vor Sprache ist leider in Schweizer Konzernleitungen endemisch.
Es folgen dann meist weitere Gemeinplätze wie “für das kommende Geschäftsjahr sehen wir uns gut aufgestellt” oder “das Umfeld in unserer Branche bleibt weiterhin anspruchsvoll". Das Wort “schwierig” darf man nicht sagen, denn - ja, lieber CFO - das könnte den Aktienkurs belasten.
Das Gegenteil ist richtig. Der Markt kennt nur eine Währung: Vertrauen. Die Marktteilnehmer kaufen Produkte oder Aktien eines Unternehmens, wenn sie der Strategie, der Leistung und - vor allem - dem Personal vertrauen. Wie aber soll ich einem CEO vertrauen, der mich in einer Fremdsprache anspricht? Gerade, wenn ein Geschäftsergebnis für Aussenstehende eher schwierig zu interpretieren ist, braucht es Klarheit und Offenheit, oft auch ein bisschen Hintergrund. Doch dafür haben viele Chefs den Mumm nicht.
Erfolgreiche Kommunikation muss die Sprache der Zielgruppe sprechen. Komplexe Geschäftsabläufe auf eine klare, einfach verständliche und korrekte Story herunterzubrechen, ist nicht immer einfach. Aber es würde sich lohnen.
Ich empfehle immer, einen Deutschlehrer beizuziehen.

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